Monatslieder aus dem Neuen Gotteslob
Monatslied September 2025
"Gott ist gegenwärtig" (GL 387)
Gerhard Tersteegen ist der Autor des Textes „Gott ist gegenwärtig“. Er gilt als der bedeutendste Mystiker der evangelischen Kirche. Nach seiner Schulzeit absolvierte er eine Kaufmannsausbildung, gab diese dann aber bald auf, um zunächst als Weber sein Brot zu verdienen, ehe er - mehr schlecht als recht - von der Schriftstellerei leben konnte. Die persönlich gelebte und gepflegte Verbundenheit mit Gott war der Raum, in dem er lebte und schrieb. Texte der katholischen Mystik waren ihm vertraut und zugänglich. Er hatte keine Berührungsängste und konnte sie in den evangelischen Raum „hineinspielen“.
Uns erscheint die fast übertrieben demütige Haltung, die er vor Gott einnimmt, heute kaum noch ansprechend. „Schlagt die Augen nieder!“ „Ergebt euch wieder!“ Verfolgt man aber den Text ab der fünften Strophe, ist die Nähe zu unseren großen Mystikern sinnenfällig: „Ich in dir, du in mir, lass mich ganz verschwinden, dich nur sehn und finden.“
Da kommt das Bild des Schwebens, des in der Luft getragen-Seins. Und dann auch das vom Adler, der in der Luft schwebt. Im König der Lüfte dürfen wir uns sehen. Im Atem Gottes, im Geist Gottes sind wir getragen. So wird der vor Gott kleine Mensch über sich hinaus erhoben. „Wer sein Leben retten will, wird es verlieren; wer aber sein Leben um meinetwillen verliert, wird es finden.“
Und wieder einmal verbindet unser Gotteslob einen Text mit einer sehr passenden Melodie. Beim Singen ist spürbar, wie Gott auf mich zukommt, wie er mir begegnet, mir Halt gibt, mich aufrichtet und trägt. Und wer zur ersten Hälfte der Verse keinen Zugang findet, darf sicher gerne mit der fünften Strophe beginnen. Und losgelöst vom Gesang darin auch Anregendes für das eigene Gebet, für die persönliche Meditation finden.
Michael Janson
Monatslied August 2025
"Lobt froh den Herrn, ihr jugendlichen Chöre" (GL 396)
Text und Melodie von „Lobt froh den Herrn, ihr jugendlichen Chöre!“ stammen von Georg Geßner und von Hans Georg Nägeli, sie entstanden Anfang des 19 Jahrhunderts in Zürich. Die beiden waren mit dem Pädagogen Johann Heinrich Pestalozzi verbunden und arbeiteten ihm zu.
Ursprünglich hat das Lied 16 Strophen. Diese verbinden den Lobpreis des Schöpfers mit dem des Erlösers. Unsere vier Strophen verweilen einzig beim Lob des Schöpfers. Wieder einmal haben wir es mit einer Melodie zu tun, die den Inhalt aufgreift und ausdrückt.
Michael Janson
Monatslied Juni 2025
"Erhabene Dreifaltigkeit..." (GL 353)
Der Text unseres Monatslieds ist ähnlich alt wie der vom Mai-Monatslied. Beide Hymnen wurden in Münsterschwarzach ins heutige Deutsch übertragen.
Erhabene Dreifaltigkeit, Einheit und Dreiheit zugleich, geheimnisvoll, staunenswert und alle Einsicht übersteigend - Gedanken, die zur Betrachtung, zum Meditieren einladen. Gesungen verbinden sich irdisches und himmlisches Lob, Engel und Menschen. Der Hymnus ist nicht nur am Dreifaltigkeitsfest zu singen. Immer wieder sollte die Unbegreiflichkeit Gottes und seine konkret begreifbare Nähe uns aufgehen.
Michael Janson
Monatslied Mai 2025
"Jerusalem du neue Stadt..." (GL 338)
Der Text unseres Liedes hat Wurzeln bis ins 11. Jahrhundert. Die Übersetzung dieses alten lateinischen Hymnus‘ entstand bei den Benediktinern in Münsterschwarzach.
Der Seher Johannes „sah die heilige Stadt, das neue Jerusalem, von Gott her aus dem Himmel herabkommen; sie war bereit wie eine Braut, die sich für ihren Mann geschmückt hat“ (Offenbarung 21,2). Dieser Blick wird verbunden mit der Auferweckung Jesu, mit Ostern. Eine schöne Melodie stellt diese Botschaft in den Raum.
Michael Janson
Monatslied April 2025
"Der König singt, sein Banner glänzt..." (GL 299)
Die Wurzeln des Textes führen in die Spätantike. Vor genau 1.700 Jahren wurde das Christentum durch Kaiser Konstantin von einer verfolgten Minderheit zur privilegierten Religionsgemeinschaft. Jetzt konnte das Heilige Land christliches Pilgerziel werden. Die Legende erzählt, die Mutter Konstantins, Helena, habe auf Golgota graben lassen und die Reliquie aller Reliquien gefunden, das Kreuz Jesu.
Anlässlich der Ankunft einer Kreuzreliquie in einem Kloster im französischen Poitiers formulierte der norditalienische Dichter Venantius Fortunatus einen Hymnus, der unserem Lied zugrunde liegt. Der ursprüngliche Text ist jedoch gekürzt.
Die ersten drei Strophen besingen das Kreuz als Siegeszeichen. Der Schöpfer wird ans Marterholz des Kreuzes gehängt. Das Kreuz wird gleichsam zum Thron: „Vom Holz herab herrscht unser Gott“.
Die weiteren Strophen besingen das Kreuz als Lebensbaum des Paradieses. Am Baum der Erkenntnis ging das Paradies einst verloren. Am Kreuz, dem Baum des Lebens, wird es uns neu eröffnet.
Michael Janson
Monatslied März 2025
"Zeige uns, Herr, deine Allmacht und Güte..." (GL 272)
Das Lied „Zeige uns, Herr, deine Allmacht und Güte“ entstand auf den Düsseldorfer Katholikentag 1982 hin, es greift dessen Motto auf: „Kehrt um und glaubt – erneuert die Welt“. Im Liedtext geht der Theologe Raymund Weber vom ersten gesprochenen Wort Jesu aus, das uns im Markus-Evangelium überliefert ist: „Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe. Kehrt um und glaubt an das Evangelium!“ (Mk 1,15).
Der Text beschreibt unser Dasein: Er fordert uns auf, aktiv zu glauben, zu handeln. Er bietet dem so geforderten Menschen aber auch die Zuwendung und Führung Gottes an. Wir sind zur Freiheit berufen. Diese kann sogar so weit gehen, dass wir uns gegen Gott entscheiden, selbst das lässt er zu. Und gleichzeitig macht er uns auf die Geborgenheit aufmerksam, die Gott uns schenkt. In ihm kommen Allmacht und Güte zusammen. In Gott geborgen und dennoch frei – so beschreibt es die erste Strophe.
Die Melodie ist dem Freylinghausenschen Gesangbuch von 1708 entnommen. Schön, wie das Versmaß des Textes und der Rhythmus der Melodie zusammenfinden.
Michael Janson
Monatslied Februar 2025
"O lieber Jesu, denk ich dein..." (GL 368)
Der Text unseres Monatslieds führt uns ins Mittelalter. Er lässt die Frömmigkeit dieser Zeit anklingen. Das Lied geht auf einen umfangreichen Hymnus zurück, der 42 (!) Strophen hatte und später sogar noch erweitert wurde. Im 20. Jahrhundert erfolgt dann eine Reduktion.
Lange hielt man den Hl. Bernhard für den Verfasser dieser Zeilen. Der wahre Verfasser jedoch bleibt im Dunkeln, er stand dem Hl. Bernhard aber auf jeden Fall nahe, er gehörte vermutlich dem Zisterzienserorden an.
Der Text zielt auf die Betrachtung des betend Singenden, auf die „Meditatio“, die „Contemplatio“. Es geht um die Begegnung mit Jesus. Dabei soll nicht nur das Denken des Menschen angesprochen werden, sondern vielmehr auch sein Gemüt. Die Melodie hilft uns dabei, uns dem Inhalt in der gebotenen Nüchternheit zu stellen.
Michael Janson