Agnus Dei - Lamm Gottes
Dieser Gesang dient der Vorbereitung auf den Kommunionempfang. Er begleitet das Brotbrechen und deutet es. Es handelt sich also um einen Gesang, der in besonderer Weise durchdacht und innerlich mitvollzogen werden will, eine Meditation dessen, was vollzogen wird.
Ursprünglich wurde in der Liturgie der römischen Kirche das Brotbrechen schweigend vollzogen. Mit Sergius I. (687-701) wurde ein Syrer Papst. Dieser war aus seiner Heimat damit vertraut, das eucharistische Brot „amnos“ zu nennen, das griechische Wort für „Lamm“. Papst Sergius I. führte mit diesem Hintergrund den Text ein: „Lamm Gottes, du nimmst hinweg die Sünde der Welt, erbarme dich unser!“
In diesen Worten kommt in jeder Eucharistiefeier Johannes der Täufer selbst zu Wort. Dem Johannesevangelium entsprechend sagt er in 1, 29 genau diese Worte. Matthias Grünewald hat diesen Hinweis auf dem Hauptbild seines Isenheimer Altars ausgemalt: der Täufer steht – mit seinem langen Zeigefinger auf den Gekreuzigten verweisend – neben dem Kreuz; er hält eine geöffnete Bibel in der Hand, der Prophet Jesaja dürfte aufgeschlagen sein, das 4. Lied vom Gottesknecht, Jes 53,7: „Wie ein Lamm, das man zum Schlachten führt, und wie ein Schaf vor seinen Scherern verstummt, so tat auch er seinen Mund nicht auf“ – in der Karfreitagsliturgie hören wir dieses Lied vom Gottesknecht mit diesen Worten. Und Grünewald hat zu Füßen des Täufers ein Lamm gemalt. Es trägt ein Kreuz. Blut aus seiner Herzwunde füllt einen Kelch.
Der Gesang beim Brotbrechen verknüpft die Hingabe Jesu am Kreuz mit dem Brot, dem „amnos“. Was zeichenhaft mit dem Brot-Leib Christi geschieht, dass er gebrochen wird, das setzt die Kreuzeshingabe Jesu gegenwärtig und lässt die Mitfeiernden an der Frucht der Erlösung teilhaben.
Während des 1. Jahrtausends etwa wurde das „Agnus Dei" so lange gesungen, bis ein „richtiges“ Brot entsprechend geteilt war. Dann kamen die kleinen Hostien auf. Nur noch eine größere Hostie, die Priesterhostie, wurde gebrochen. Dies begleitend kam es zum dreifachen Gesang des „Lamm Gottes“. Als dann im Mittelalter der Friedensgruß unmittelbar vor diesem Gesang aufkam, wurde der Abschluss der 2. Wiederholung abgeändert in: „Gib uns deinen Frieden!“
Eine tief gefüllte Meditation also. Nicht immer müssen all diese Gedanken durchdacht werden. Aus dem Leben heraus oder auch von den jeweiligen Texten der Messe her, vielleicht auch von anderen Liedern, die gesungen wurden, ergibt sich ein eigener Akzent, der beim nächsten Mitfeiern auch anders sein kann. Eine Meditation, die in die Anbetung, ins Hinknien führt. Der Empfangende macht sich klein vor diesem großen Geheimnis des Glaubens.
Pfr. Michael Janson