Hausandacht statt Heilige Messe

Bis vor kurzem konnten nur wenige mit „Hausandacht“ etwas anfangen. Dass eine Hausgemeinschaft sich zusammenfindet, gemeinsam betet und singt, in der Heiligen Schrift liest und sich darüber austauscht – das ist uns Katholiken eher fremd. Jetzt aber hat das Kontaktverbot aufgrund der Corona-Pandemie die häusliche Feier ins Gespräch gebracht.

Ich musste an eine Erfahrung im Zusammenhang mit der Erstkommunionvorbereitung denken. Für die Vorbereitung in Gruppen fanden sich immer seltener Mütter und Väter. Erst wurde die Lücke mit „früheren“ Katecheten gefüllt. Nach einigen Jahren stand aber für diesen Kreis fest: wir machen es nicht mehr, wenn die aktuellen Eltern nicht mitwirken. Eine damals entwickelte Form der Vorbereitung sah in den Eltern die Katecheten des eigenen Kindes. Diese wurden von einem Hauptamtlichen vorbereitet und begleitet. Nach den ersten Wochen wurde reflektiert. Ich war auf kritische Vorwürfe gefasst. Sie blieben aus. Stattdessen wurde Überraschendes deutlich: „Wir haben zum ersten Mal in unserer Familie um den Tisch herumgesessen und gemeinsam etwas gestaltet. Das war schön!“ „Unsere Tochter hat das regelrecht eingefordert: ‚Wir haben diese Woche unsere Kommunionstunde noch nicht gemacht!‘ sagte sie vorwurfsvoll.“ Die Familien haben sich selbst erlebt – und ihren Glauben an Gott.

Eine zweite Assoziation ist das jüdische Sabbat- bzw. das Pessach-Mahl. Die Liturgie des Pessachfestes sieht vor, dass der Jüngste die Frage stellt, was an diesem Abend so anders ist. Der Vater (!) hat dann den Sinn der Pessachfeier so zu erläutern, dass dieser sich auch dem Jüngsten erschließt. Und dann wird das Mahl gefeiert und an die Geschichte Gottes mit seinem Volk erinnert. Die Familie erlebt sich selbst – und ihren Glauben an Gott.

Es war übrigens die konkrete Geschichte, die im Judentum diese häusliche Feier „provozierte“: die Verschleppung nach Babylon und die Zerstörung des Jerusalemer Tempels. Ganz plötzlich konnte der Glaube nur noch im familiären Rahmen gefeiert werden.

Wie kann eine solche Feier konkret gestalten werden?

Es ist schön, in der Familie Ideen zu sammeln. Was brauchen wir? Wer kann was vorbereiten? So wird die Feier zu einer gemeinsamen Feier.

Das Ganze braucht einen Rahmen, einen Anfang und einen Schluss. Ein Gespräch könnte hinführend sein: Was hat mir heute besonders gutgetan? Was hat mich überrascht? Es wird immer nur eine Erfahrung geschildert, nicht alles erzählt. Jede und jeder darf Einblick nehmen in das Erleben der anderen. Es wird zugehört – nicht diskutiert! Dann wird eine Kerze angezündet, jetzt beginnen wir. Klar, dass am Ende der Segen steht und damit die Sendung in den Alltag.

Beten und Singen gehört unbedingt dazu. Was gemeinsam getan wird, verbindet. Mit einem speziell ausgewählten Gebet kann man besser auf die konkrete Situation eingehen. Ein Gebet könnte man auch selbst schreiben. Das ist oft einfacher, als lange nach einem gut passenden Text zu suchen.

Manchmal hilft auch ein Liedtext aus dem Gotteslob. Gemeinsam gesprochen wirkt er ganz anders. Man könnte das gesungene Lied auch hören. Zu vielen Gotteslob-Liedern finden sich Aufnahmen im Internet, einfach den Titel eingeben… Auch Neue Geistliche Lieder sind geeignet. Und natürlich auch die große Musik.

Wesentlicher Bestandteil einer solchen Hausandacht ist ein Abschnitt aus der Heiligen Schrift. Für die einen ist es wichtig, dass jemand einen solchen Text selbst aussucht. Andere greifen gerne auf einen vorgegebenen Text zurück: z.B. auf das Sonntagsevangelium. Oder man geht Woche für Woche und Abschnitt für Abschnitt durch eines der Evangelien. (Vorsicht: das Johannesevangelium ist für den Anfang in vielen Abschnitten vielleicht zu anspruchsvoll.) Mit der Zeit wird man mit der Hl. Schrift vertrauter und traut sich mehr…

Gemeinsam formulierte Fürbitten öffnen die kleine Gemeinschaft für die ganze Welt. Das Vater-Unser-Gebet nimmt das auf und führt es zusammen.

Beim Nachdenken über Form und Inhalt einer solchen Hausandacht wird der tiefe Sinn deutlich: der Glaube und Gott selbst kommen in der Familie an. Das Ganze darf dann ruhig auch mal offen bleiben, nicht alles muss sich runden, eine Antwort finden und harmonisch ausgehen. Nicht alles wird von allen gleich verstanden. Das war damals bei Jesus und seinen Jüngern nicht anders. Also: nur Mut!

Ich bin auf Ihre Erfahrungen gespannt.

Erzählen Sie davon!

Michael Janson


Hier noch ein paar Hinweise für die konkrete Praxis:

  • „Gotteslob“, Nr. 23 bis Nr. 28, eigentlich aber der ganze Inhalt
  • Homepage der Diözese Speyer (bistum-speyer.de) unter der Überschrift „Gebet und Gottesdienst zuhause“
  • Unter https://erzabtei-beuron.de/ die Rubrik „Schott Tagesliturgie“
  • Interessant auch die Homepage des liturgischen Instituts der deutschsprachigen Schweiz

Derzeit kommen viele Bücher dazu frisch auf den Markt. Ich rate zur Vorsicht. Manche Verlage wittern ein schnelles Geschäft.