Stilisierte Dialoge - eigenartige Muster!

„Die Sprache ist die Quelle aller Missverständnisse“ sagt der Kleine Prinz von Antoine de Saint-Exupéry. Das gilt erst recht für die Sprache der Liturgie mit ihren vielfach festen Sprachformen. Noch mehr als frei formulierte Sätze sind feste Formen der Gefahr des Nichtverstehens und damit des Missverständnisses ausgesetzt.

Wäre es nicht einfacher, das anders zu machen? Abgesehen davon, dass auch das frei Formulierte nicht automatisch verstanden wird – ein gemeinsames Feiern verlangt nach festen Sprachformen. Will man gemeinsam feiern, dann braucht es allen bekannte Sätze. Da wird bewusst, dass man zusammen gehört und ein ist. Und will man über Generationen hinweg an einem ganz bestimmten Inhalt festhalten, dann bleibt einem nichts anderes übrig, als dieselben Worte zu nutzen. Und dann geht es immer wieder darum, dem Geläufigen inhaltliche Tiefe zu entlocken.

Hier soll es jetzt in erster Linie um Sprachformen gehen, die im Dialog vollzogen werden, also um Sätze, die der Priester spricht, auf die die Gemeinde antwortet. Da ist vor allem die eine Aussage zu nennen: „Der HERR sei mit euch!“ – „Und mit deinem Geiste!“. Damit wird die Messe eröffnet. Dieser Gruß kann sich auch ausdehnen und die Grußformel eines Paulusbriefs aufgreifen. Die Antwort der Gemeinde ist aber immer die gleiche. Darin wird das Zusammensein der Gemeinde aufgebrochen auf den HERRN hin und auf Gott. Der HERR sei jetzt mit jeder und jedem Einzelnen in dieser Feier. Und auch mit dem, der ihr gerade vorsteht. Im Miteinander, im Hören, Beten und Singen ist auch der HERR, nicht nur die sichtbar Mitfeiernden. Gruß und Antwort unterscheiden sich zwar, sie drücken aber dieselbe Wirklichkeit aus.

Dieser Dialog wird erweitert, wenn die Präfation beginnt, ein besonderes Dankgebet vor dem sogenannten Hochgebet mit den Einsetzungsworten. Dort heißt es: „Der HERR sei mit euch!“ – „Und mit deinem Geiste!“ – „Erhebt die Herzen!“ – „Wir haben sie beim HERRN!“ – „Lasst uns danken dem HERRN, unserm Gott!“ – „Das ist würdig und recht!“ – „In Wahrheit ist es würdig und recht….“ Um ein noch bewussteres, engagiertes, ganz mit dem Herzen Da-Sein geht es an dieser Stelle im Hinblick auf das, was dann folgt.

Eine ganz eigene Form des Dialogs bildet die Einleitung zu den sogenannten Amtsgebeten, dem Tages-, Gaben- und Dankgebet. Der Einladung des Priesters „Lasst uns beten“ antwortet die Gemeinde mit einer Stille. In sie hinein spricht der Priester dann das Gebet. In der Stille öffnet die und der Einzelne das Herz, um so selbst das Gehörte vor Gott zu tragen.

Dann gibt es nach den Einsetzungsworten den folgenden Gedankengang: „Geheimnis des Glaubens:“ - „Deinen Tod, o HERR, verkünden wir, und deine Auferstehung preisen wir, bis du kommst in Herrlichkeit.“ Was sich mit den Einsetzungsworten verbindet - die jeweils neue Feier des überlieferten Herrenmahls - wird so hineingespannt in die Zeit. Ausgehend von der lebendigen Erinnerung an Tod und Auferstehung des HERRN schauen wir voraus auf seine Wiederkunft an deren Ende. Unsere Zeit ist gefüllt mit seiner bleibenden Gegenwart. Das wird in jeder Eucharistiefeier ausdrücklich.

Vor dem Empfang der Hl. Kommunion wird es noch einmal besonders dicht. Der Priester zitiert gleichsam Johannes den Täufer: „Seht das Lamm Gottes!“ (vgl. Joh 1, 29) Und die Gemeinde antwortet mit einer leicht veränderten Aussage des römischen Hauptmanns: „Herr ich bin es nicht wert, dass du unter mein Dach einkehrst; aber spricht nur ein Wort, dann wird mein Diener gesund!“ (= Zitat aus Mt 8,8; in der Liturgie etwas anders formuliert). Ein Nichtjude, ein Ungläubiger also vertraut darauf, dass der HERR seinen Diener auch aus der Entfernung heraus heilt. Welche Zuversicht für uns, die wir durch eine lange Zeit von Jesus getrennt sind. Aber nein: er ist ja auch hier und jetzt gegenwärtig. Das wird ja gerade gefeiert.

Die häufigste Antwort in diesen liturgischen Dialogen ist jedoch ohne Frage das „Amen!“ der Gemeinde: „Ja, so sei es!“ Und das möge wirklich nicht einfach so daher gesagt sein. Es soll vielmehr ausdrücken, dass das Gehörte angekommen ist im Herzen, dass es voll und ganz bestätigt wird. Die Mitfeiernden sprechen ihr „Ja und Amen!“.

Übrigens: wenn Sie ein Fußballspiel besuchen oder es im Fernsehen verfolgen, erleben Sie etwas Ähnliches. Da haben sich Sprachmuster gebildet, die allen bekannt sind. Der Stadionsprecher nennt z.B. Rückennummer und Vornamen eines Torschützen und die ganze Kurve donnert den Nachnamen hinterher. Die Fans wissen, wer Tore schießt. Die Fans sind da, sie erleben sich selbst in solchen Antworten und natürlich auch in bekannten Gesängen und Rufen.

Und noch etwas: es ist eine hilfreiche Schule für einen selbst, solche Sprachformen der Messe Kindern nahezubringen, sie mit ihnen zu lernen und sie zu erläutern. Das führt einen selbst wieder in die Tiefe dessen, was da gesprochen wird. Und damit sind wir wieder dicht bei Antoine de Saint-Exupéry und seinem kleinen Prinzen. „Die Sprache….“

Michael Janson